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27. Januar 2012

Die Freiheit, die das Internet bietet ist wesentlich wichtiger, als Tantiemenkontrolle durch Monopolbetriebe

Das Prekariat der Kunstschaffenden ist im Aufwind. Sinnbildlich gesprochen natürlich, prekäre Verhältnisse zu Lebzeiten nicht anerkannter Künstler / Musiker / Schrifsteller / Schauspieler und sind ein alter Hut. In die falsche Richtung geht meiner Meinung nach die Initiative Kunst hat Recht, die vorgibt das Prekariat, also die mittellosen Kunstschaffenden zu vertreten.

Zuallererst verwehre ich mich dieser Pauschalisierung! Die Initiative "Kunst hat Recht" ist in erster Linie als eine Aktion des Zusammenschlusses der Verwertungsgesellschaften zu verstehen. Diese sind eine eigentlich gute Idee, die aber leider fehlgeschlagen ist. Sie behaupten die Kunstschaffenden zu vertreten, dem ist aber nicht so. Z.b. können sich Künstler mit geringem Einkommen eine Mitgliedschaft in der VBK karrieretechnisch nicht leisten, kein Galerist würde auf die Forderung nach einem Ausstellungshonorar für wenig bekannte Namen eingehen. Musiker, die unter einer creative commons Lizenz veröffentlichen wollen, verstoßen gegen die Satzung der AKM und austro mechana. Ein zeitgemäßes, auf die neuen Medien zugeschnittenes Werben und Handeln ist gemeinsam mit den Verwertungsgesellschaften nicht mehr möglich.

Die Initiative "Kunst hat Recht" kann sinnbildlich als alter Hund betrachtet werden, der auf seinem fetten Arsch sitzt, nach oben kläfft und nach unten beisst und dabei ist seine Existenzberechtigung zu verlieren. Tantiemen waren für das Prekariat noch nie Haupteinnahmequelle. Lange bevor der mit Tantiemen erwirtschaftete Betrag potentiell existenzbedrohende Ausmaße annehmen könnte, kann der Künstler von der direkten Interaktion mit seinem Publikum leben und damit theoretisch auf Tantiemen komplett verzichten. Lange bevor das Internet einen Künstler entdeckt und irgendjemand seine Kunst "illegal" verwendet, kann der Künstler von der direkten Interaktion mit seinem Publikum leben. Die Praxis der Filesharing-Bestrafung zeigt zudem, dass Vergehen gegenüber kleinen Künstler nicht geahndet werden, bei Gerichtssprüchen tragen immer große Namen das Verfahren. Das alles ist keine Fiktion, das ist Tatsache. Kunst macht man nicht, weil man es kann, weil man Talent hat, weil es so schön oder erfüllend ist. Kunst macht man, weil man eben nicht anders kann.

Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit! Während neue Medien theoretisch ein erhöhtes Maß an Freiheit bieten würden, und damit z.b. Wikileaks, den arabischen Frühling oder Gutenbergs Sturz ermöglichen oder unterstützen, führt diese Freiheit paradoxerweise zu einer Einschränkung der künstlerischen Freiheit. Das Urheberrecht ist überholt, da stimme ich der Initiative sogar zu. Tatsächlich sollte es aber nicht verstärkt, sondern stark eingedämmt oder sogar gestrichen werden. Als Musiker/Mathematiker empfinde ich korrektes Zitieren und Referenzieren wichtig, effektiv aber führt die gängige Praxis zu einer Einschränkung der künstlerischen Freiheit. Speziell als Musiker kann ich nicht jede Quelle der Inspiration um Erlaubnis fragen, effektiv ist das der Hauptgrund meiner Zuwendung zur freien Improvisation.

Gerhard Ruiss behauptet in der Diskussion auf Ö1 seit zwanzig Jahren im Internet aktiv zu sein und noch keinen Cent damit verdient zu haben. Wer seit zwanzig Jahren mit dem Internet arbeitet und damit noch keinen Cent verdient hat, dem sollte man eine derartige Vertretungsfunktion nicht anvertrauen. Denn das hieße, dass Gerhard Ruiss EMail nicht für geschäftliche Kontakte verwendet, er ist ausserdem online nirgends vertreten und so weiter und so fort. Die Freiheit, die das Internet bietet ist wesentlich wichtiger, als Tantiemenkontrolle durch Monopolbetriebe. Ich möchte an dieser Stelle auch noch darauf hinweisen, dass Künstler, die sich aus welchen Gründen (oft genug tatsächlich idealistischen oder existenzermöglichenden) auch immer gegen eine Mitgliedschaft in einer Verwertungsgesellschaft entscheiden, an einer Festplattenabgabe keinen Cent verdienen würden. Soziale Fonds und dergleichen sind eine kosmetische Maßnahme, Einnahmen der Verwertungsgesellschaften und damit Kunstpauschalen bringen effektiv nur denen mehr Geld, die es objektiv nicht bräuchten.


Siehe auch: derstandard.at: Künstler fordern zeitgemäßes Urheberrecht und Gegeninitiative zu Kunst hat Recht - Mehr Rechte gegen die Kunst.

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