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25. März 2012

Urheberrechtsverletzung, die; -, -en

eine universelle Komposition von Christof Spanring


Präambel:

Verwendung jedweder Art ist verboten und wird straf- und/oder zivilrechtlich verfolgt.

Dieses Werk spielt mit dem Paradoxon des Urheberrechts. Es besteht aus zwei essentiellen Komponenten, der Struktur und der Interpretation. Die Besetzung ist beliebig, die Ausführung kann durch ein beliebiges Medium erfolgen. Die Struktur (das Metrum) ist im Vorhinein zu vereinbaren und regelt die zeitliche bzw. sonstwie räumliche Ausdehnung im Medium. Die Interpretation ist notwendigerweise eine nicht näher spezifizierte Urheberrechtsverletzung, kann als solche aber von jedem Mitglied der Besetzung beliebig und unabhängig gewählt werden.


Die Internet-Referenz http://urheberrechtsverletzung.christofspanring.com verweist auf die zeitlich nicht limitierte und als solche fortwährend wachsende und sich im Wandel befindliche Repräsentation der Komposition.


Beispiele:

  • Laut Präambel ist das Lesen (die Interpretation) dieses Textes eine werkgetreue Umsetzung, wobei die Struktur in der Aufmachung des Textes besteht.
  • Jede Tätigkeit, die nicht vom Urheber dieser Zeilen ausgeht, ist eine werkgetreue (möglicherweise unbewusste) Umsetzung und damit offizielle Urheberrechtsverletzung.
  • Ein Konzert kann eine werkgetreue Umsetzung sein, wobei die Struktur durch den Dirigenten und die Notenblätter vorgegeben wird, zur Interpretation genügt es unter Umständen schon, wenn die Musik dem jeweiligen Komponisten mißfällt.
  • Die Kunst von Andy Warhol ist eine werkgetreue Umsetzung.
  • Ist das Video "Urheberrechtsverletzung" von und mit Christof Spanring eine werkgetreue Umsetzung? Die Struktur ist durch die sich periodisch wiederholende und digital bearbeitete Tonfolge einer wildgewordenen Gegensprechanlage gegeben. Die Interpretation basiert auf dem Werk 4 Minuten 33 von John Cage. Der Logik der Struktur folgend sollte auch das Video in einer schnittlosen Endlosschleife laufen


Weitere Gedanken:


Was darf Kunst? Diese Komposition für sich selbst genommen verletzt kein Recht und kein Gesetz und müsste demnach legal sein. Das Paradoxon liegt in der werkgetreuen Umsetzung, die auf einer illegalen Tätigkeit beharrt. Wie wird man zum Gesetzesbrecher?

Angesichts der erhitzten Diskussion von ACTA-Gegnern / Internet-Aktivisten auf der einen Seite und den Vertretern der Verwerter / Urheber (z.b. Kunst hat Recht) auf der anderen Seite, sehe ich die dringende Notwendigkeit für einen entspannteren Zugang zur Materie. Meine Komposition auf die Spitze getrieben ist allgegenwärtig, notfalls wird ganz einfach mein persönliches Urheberrecht (möglicherweise unwissend) verletzt.

Das Prekariat ist nicht neu. Genau so wenig, wie der manchen Menschen innewohnende Drang Kunst zu schaffen, unterdrückt werden kann. Das Internet bietet neue Vertriebswege und noch wenig erforschte künstlerische Möglichkeiten und wird die Kunst nicht töten, aber mit Sicherheit  weiterhin transformieren.

Aber auch: das Prekariat ist nicht neu. Die Kunst befindet sich im steten Wandel und, entgegen subjektiv stets pessimistischer Prognosen, können speziell die unabhängigen Kunstschaffenden zunehmend besser von ihrer Kunst leben. Die aktuelle Diskussion ist aber dennoch wichtig und dringend notwendig. Kunst steht kurz davor die wichtigste Antriebsfeder der geistigen Evolution zu werden und eine angemessene Entlohnung für die Vordenker der Zivilisation von Morgen ist längst überfällig.

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